Gegenkonzepte zum gescheiterten Kapitalismus schaffen

von Adrian Zimmermann am 30. April 2009

Eine vom Oltener Kreis linker SozialdemokratInnen organisierte Tagung fragte nach möglichen Alternativen zum aktuellen Wirtschaftssystem. Ausgehend vom Empfinden, dass die aktuellen Diskussionen zur Wirtschaftskrise nicht über das Stadium der Analyse des Scheiterns der neoliberalen Ideologie hinausgehen, wollte man nach Vorschlägen für ein Gegenkonzept zum Kapitalismus suchen. Die Tagung hat vor allem gezeigt: auch wenn in der Linken weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass nicht einfach nur eine exzessive Form des Kapitalismus an ihren Endpunkt gelangt ist, sondern das kapitalistische System als ganzes blossgestellt wurde und auch wenn offensichtlich ist, dass sich jetzt die historische Chance bietet, die grundsätzliche Systemfrage aufzuwerfen, so fehlen der Linken dennoch ausgereifte Konzepte und Systemvorschläge, welche über Retuschen am bestehenden System hinausgehen.

Nicht einfach Managerexzesse

In seinem Referat betonte der ehemalige Unia-Chefökonom Hans Baumann nachdrücklich, dass die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise eben nicht nur von einigen habgierigen Managern und den von ihnen betriebenen Spekulationen ausgelöst wurde. Ihre Tätigkeit darf nicht als eine Perversion des kapitalistischen Denkens verstanden werden, sondern ist lediglich die logische Weiterführung des bedingungslosen Profitdenkens in Zeiten globaler und deregulierter Finanzmärkte. Erst in dem die politisch Verantwortlichen selber die Deregulierung des Finanzsektors vorangetrieben haben, konnte sich die Finanzblase in diesem Ausmass überhaupt bilden. So wurden die sogenannten Leerverkäufe erst Ende der 1990er-Jahre wieder erlaubt, nachdem sie nach der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre verboten worden waren, da man in ihnen einen der Auslöser sah. Der gezielte Umbau des Kapitalismus hinzu einem neoliberalen Finanzkapitalismus ist also weder zufällig noch in Folge des Handelns einiger Manager entstanden, sondern ist diesem System immanent. Dies bedeutet, dass sowohl die Managerexzesse als auch die darauffolgende Finanz- und Wirtschaftskrise wieder stattfinden werden, solange der Kapitalismus als polit-ökonomisches Grundmuster nicht überwunden wird.
Hans Baumann warf deshalb auch einen kritischen Blick auf die staatlichen Konjunkturpakete, welche in den letzten Monaten in der Schweiz und weltweit lanciert wurden. Natürlich sind keynesianische Konjunkturprogramme in der Krise absolut notwendig, so Baumann. Sie können kurzfristig die Nachfrage ankurbeln und so eine Negativspirale in Richtung Deflation und Depression verhindern, oder zumindest verlangsamen. Gleichzeitig können Arbeitsplätze gesichert werden, welche ohne Intervention des Staates verloren gehen würden. Die Kritik von Hans Baumann zielt vor allem auf die nationalstaatliche Verankerung der Konjunkturmassnahmen. Gerade die Finanzkrise hat ja aufgedeckt, wie eng die Volkswirtschaften miteinander verwoben sind. Wenn ein Staat alleine Konjunkturpolitik macht, so reicht das bei weitem nicht. Die staatlichen Massnahmen beschränken sich zudem darauf, weiter Geld in ein gescheitertes Wirtschaftsmodell hineinzupupen. Gefragt wären jedoch globale Reformen, welche grundsätzlich die Spielregeln der internationalen Märkte verändern.

Gegenkonzepte schaffen

Im zweiten Teil der Veranstaltung lenkte der Ökonom und Publizist Oliver Fahrni den Blick auf mögliche Alternativen zum gescheiterten Kapitalismus neoliberaler Ausprägung. Auffallend war, dass sich auch Oliver Fahrni in seinem Referat vorwiegend mit systemimmanenten Veränderungsmöglichkeiten auseinandersetzte. So wurden beispielsweise die Möglichkeiten keynesiansischer Wirtschafts- und Einkommenspolitik angeschnitten, wie auch die Frage nach wirtschaftsdemokratischen Ansätzen gestellt wurde.
Der Einschätzung von Oliver Fahrni, dass trotz des Ausmasses der Wirtschaftskrise und dem eklatanten Gesichtsverlust der neoliberalen Ideologie, die Linke momentan nicht viel mehr als politische Systemreparatur betreiben kann, ist leider zuzustimmen. Die politischen Mehrheiten und das Bewusstsein der Bevölkerung sind momentan nicht so gelagert, dass Forderungen welche einen radikalen Umbau oder eine Überwindung des Kapitalismus mit sich brächten, auch nur Gehör fänden, geschweige denn umgesetzt werden könnten. Deshalb sieht Oliver Fahrni eine der dringendsten Aufgaben der Linken darin, die Grundsatzdiskussion über das Verhältnis zwischen Arbeit, Kapital und Lebensqualität breit zu lancieren. Gerade die Wirtschaftskrise, mit all den damit einhergehenden Problemen, wäre ein optimaler Moment, um solche Diskussionen nach aussen zu tragen.

Wirtschaftspolitik neu denken

Der Oltener Kreis linker SozialdemokratInnen möchte sich in der nächsten Zeit intensiv an der Diskussion um neue Wirtschaftskonzepte beteiligen. Insbesondere soll einer der Glaubensätze der wirtschaftsliberalen Schweiz angegriffen werden. Von Links bis Rechts herrscht heute Konsens, dass die wirtschaftspolitische Rolle des Staates allenfalls darauf ausgeweitet werden kann, die Nachfrage anzukurbeln. Und auch das nur in Krisenzeiten, sonst soll sich der Staat möglichst zurückhalten. Bei dieser selbst auferlegten Zurückhaltung gilt es anzusetzen. Eine vernünftige und effiziente staatliche (aber auch internationale) Wirtschaftspolitik muss auch das Angebot beeinflussen. Der Staat soll eben nicht nur die Nachfrage nach Gütern ankurbeln, sondern er soll als lenkende Hand auch die Güterproduktion mitbestimmen. Dass dazu eine staatliche Beteiligung an den Schlüsselindustrien notwendig ist, liegt auf der Hand. Neue, modernisierte Formen und Möglichkeiten der Planwirtschaft müssen diskutiert werden. Gegenkonzepte zum gescheiterten Kapitalismus müssen jetzt entwickelt werden.

Félix Birchler ist Vorstandsmitglied des Oltener Kreises linker SozialdemokratInnen und Co-Präsident der SP Stadt St. Gallen

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