Einleitung von Domaine Public (*): Bringen wir die Debatte auf das richtige Niveau
Die Ideologien haben sich in unserem Jahrhundert nicht nur Ideenkämpfe geliefert. Sie dienten den totalitären Machtübernahmen und sie standen sich in blutigen Kriegen gegenüber. Heute ist es möglich, sie aus einer gewissen Distanz zu beurteilen.
Mit seinem Aufsatz „Freiheit statt Sozialismus“ legte Christoph Blocher seine Auffassung von Zeitgeschichte vor und sorgte mit eigenen Mitteln (an denen es ihm nicht mangelt) für ihre größtmögliche Verbreitung: der Text ging an alle Haushalte und erschien als Beilage in allen großen Tageszeitungen. Seine Argumentation ist simpel: Das, was die totalitären Regime und den demokratischen Sozialismus vereine, sei der Glaube an die Allmacht des Staates; hierin begründe sich ihr historisches Einverständnis. Die Bezugspunkte, auf die sich diese Ansicht u.a. stützt, sind aus ihrem historischen Kontext gerissen, und immer wieder ist man an die systematische Propaganda erinnert, die von den angeklagten Regimen mit Vorliebe genutzt wurde. Wie darauf antworten, ohne sich auf dieselbe Niveaulosigkeit zu begeben? Die Philosophen, Historiker und politischen Aktivisten, die eine Replik in Erwägung zogen, waren entmutigt. Die Debatte muß aber stattfinden.
Dan Gallin, internationaler Gewerkschafter und Vorsitzender des Global Labour Institute in Genf, nahm den Diskurs in der ihm gebührenden Sachlichkeit auf. Sein Text, der von starken Überzeugungen getragen ist, stellt den Sachverhalt wieder her, ohne sich der Verschlagenheit des Politikers bedienen zu müssen. Domaine Public wollte ihn zunächst als Sondernummer für seine Leser und Leserinnen veröffentlichen, dann schien es uns aber zielführender, den Text einem breiten Publikum zugänglich zu machen und ihn als Beilage in Le Temps zu veröffentlichen: Die Replik muß eine Verbreitung finden, die jener des Angriffs in nichts nachsteht.
Für eine Wochenzeitung wie Domaine Public bedeutet das eine schwere finanzielle Belastung; unsere Initiative wurde durch eine interne Spendenaktion und dank der Hilfe unserer Freunde möglich. Wir sind ihnen dafür sehr dankbar. Die Leser und Leserinnen von Le Temps, die uns besser kennenlernen möchten, finden in diesem Heft eine Postkarte, mit der sie zu unserer Wochenzeitung Kontakt aufnehmen können. Domaine Public nimmt seit über dreißig Jahren am politischen Diskurs teil; sie tut das ohne ökonomische Gewinnausrichtung, ohne Subventionen und ohne Werbeeinschaltungen. „Über den Sozialismus – Antwort an Christoph Blocher“ ist in diesem Sinne zu verstehen.
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Der nachfolgende Text wurde von Domaine Public, einer Westschweizer sozialdemokratischen Wochenzeitung, in seiner französischen Originalfassung veröffentlicht („Qu’est-ce que le socialisme?“, DP Nr. 1454-1455, 13. 12. 2000).
Deutsche Übersetzung: Jacqueline Csuss
Sozialismus und Demokratie
Christoph Blocher ließ eine Broschüre1 an alle Haushalte verteilen, worin er erklärt, dass die Sozialisten in ihren gedanklichen Ansätzen, wenn nicht gar in ihrer politischen Praxis dem Nationalsozialismus und dem Kommunismus sehr nahe stünden. Und was die Freiheit angehe, so seien ohnehin nur Blocher und seine Gesinnungsgenossen ihre wirklichen Verteidiger. Wirklich?
Es gab eine Zeit, als jeder Sozialist als Teil seiner politischen Bildung lernte, dass Sozialismus ohne Demokratie nicht möglich ist und dass Demokratie ohne Sozialismus unvollendet bleibt. Mit anderen Worten: Ohne größtmögliche Beteiligung der aktiven und informierten Bürger und Bürgerinnen im Umgang mit der Macht und ohne Institutionen, welche die demokratischen und zivilen Rechte für alle garantieren, muss jedes sozialistische System in einer bürokratischen Diktatur enden – und damit scheitern. Diese Partizipation setzt aber auch voraus, dass die demokratische Kontrolle des Bürgers nicht an den Türen der Unternehmen und der Banken Halt macht und dass neben der politischen Macht auch jene des Kapitals von ihm demokratisch kontrolliert werden muss. Diese Ideen sind in der sozialistischen Kultur fest verankert. Das Fundament der Freiheit, wenn es denn eine Freiheit aller und nicht nur einiger Weniger sein soll, ist nun einmal die Demokratie.
Marxismus und Freiheit
Es ist richtig, dass die moderne sozialistische Ideologie auf einer marxistischen Grundlage beruht: Zum Glück, denn der eigentliche und somit wesentliche Beitrag von Karl Marx bestand ja gerade darin, die sozialistische Bewegung zu demokratisieren und ihr dadurch zu ermöglichen, zu einem Instrument der Demokratisierung der Gesamtgesellschaft zu werden.
Vor Marx war der Sozialismus tatsächlich autoritär. Jahrhundertelang hatte es Denker und Aktivisten gegeben, die gegen die Ungerechtigkeiten und die Grausamkeiten in ihren Gesellschaften revoltierten. Aus dieser Revolte entstanden die Ideengebäude für eine ideale soziale Ordnung. Bei den Vorläufern des modernen Sozialismus handelte sich jedoch um Philosophen wie Tommaso Campanella und Thomas Moore, um philanthropische Denker wie den Grafen von Saint-Simon, Etienne Cabet, Charles Fourier oder Robert Owen oder um Revolutionäre wie Gracchus Babeuf, deren Vorstellung über die Einrichtung pädagogischer Diktaturen unter der Führung eines aufgeklärten Herrschers oder selbsternannter Eliten nicht hinausging. Sie sollten die neue soziale Ordnung per Dekret oder durch erfolgreiche Verschwörungen herbei zwingen – zum Wohle des Volkes zwar, aber niemals mit dem Volk und schon gar nicht durch das Volk.
Ganz zu schweigen vom fragwürdigen Proudhon, auf den sich sowohl die extreme Rechte wie auch gewisse linke Kreise berufen – eine Linke, die sich Proudhons autoritärer Grundstruktur, wie auch seines prinzipiellen Rassismus, seines Antisemitismus, seiner Verachtung der Frauen und des Volkes ganz generell zweifellos nicht bewusst ist. (Bettino Craxi, einstiger italienischer Premierminister, glaubte tatsächlich, für die Sozialisten in Proudhon eine gebührende Alternative zu Marx gefunden zu haben.)
Marx bricht mit dieser Tradition und führt seine ersten politischen Kämpfe zunächst gegen diese, für die revolutionäre Bewegung seiner Epoche noch typischen elitistischen Verschwörungen. Er wehrt sich heftig gegen jene, die bereit sind, die Freiheit im Namen der Gleichheit zu opfern und „aus der Welt eine riesige Kaserne oder Fabrik machen wollen.“2
Den Arbeitern sagte er damals: „Ihr werdet fünfzehn, zwanzig, fünfzig Jahre lang Bürgerkriege und internationale Kriege überstehen müssen, nicht nur, um die geltenden Bedingungen zu ändern, sondern auch um Euch selbst zu ändern und um die Fähigkeit zur Ausübung der politischen Macht zu erlangen“3. Indes glaubten andere, die Arbeiterschaft könne die Macht jederzeit durch einen bloßen Willensakt übernehmen, während wieder andere es schlicht für unmöglich hielten, dass das Proletariat die politische Macht überhaupt je erringen und ausüben könnte. Zu den berühmtesten Zitaten von Karl Marx gehört nicht nur „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!“, sondern auch der erste Satz der Präambel zu der Satzung der ersten Internationale: „In Anbetracht, dass die Emanzipation der Arbeiterklasse durch die Arbeiterklasse selbst erobert werden muss….“
Wovon galt es sich zu emanzipieren und was bedeutete „politische Macht ausüben“? Was jedenfalls für Marx und alle anderen Sozialisten gestern wie heute unerträglich war, war eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, in der die Mehrheit der Bevölkerung zu einem Leben in Not und Elend verurteilt ist, während Macht und unermessliche Reichtümer von einigen Wenigen kontrolliert werden.
Nicht anders als zu Marxens Zeiten erklären die Verfechter der herrschenden Ordnung von heute, dass diese Ordnung das unausweichliche Resultat unpersönlicher, also den Gesetzen der Natur vergleichbarer Gesetze sei. Ein ganz entscheidender Beitrag von Marx bestand darin, den Mythos von den „unsichtbaren Händen“ als solchen zu entlarven und die Mechanismen der Gesellschaft transparent zu machen, also aufzuzeigen, wie sich die Gesellschaft durch das Volk verändern ließe, sofern es sich entsprechend organisierte.
Die Arbeiter haben als Gesellschaftsklasse keine spezifisch anderen Interessen zu verteidigen als jene der Weltbevölkerung insgesamt, sieht man von einer kleinen Minderheit der Privilegierten ab. Die „Machtübernahme“ und die „Diktatur des Proletariats“ bedeuten bei Marx und für jene, die ihn verstanden haben, dass die Gesellschaft die Verantwortung für sich selbst übernimmt, die Wirtschaft inbegriffen.
Die „Zeugen der Anklage“ – zu Lasten Blochers
Das Amalgam, d.h. die Verquickung des politischen Gegners mit verwerflichen Gedanken oder Taten, ist eine bei allen politischen Falschspielern seit jeher beliebte und gern genutzte Methode. Stalin und den Moskauer Prozessen hat sie gute Dienste erwiesen. Und so sagt denn auch eine alte Volksweisheit: „Wer seinen Hund umbringen will, gibt vor, dass er die Tollwut hat“. Blochers Broschüre beruht auf diesem Prinzip, beinahe Zeile für Zeile.
Ein für Blocher typisches Amalgam lautet etwa: „Sir Karl R. Popper entlarvte die Nationalsozialisten wie die Sozialisten als Feinde der ‚offenen Gesellschaft‘“.4
Es lohnt sich tatsächlich, Popper zu lesen. Nicht weil er irgend etwas „entlarvt“ hätte, sondern weil er ein origineller Denker war und dabei konsequent Demokrat blieb, und weil er selbst noch in seiner Ablehnung des Marxismus von der austro-marxistischen Kultur geprägt war. In seinem Buch Die offene Gesellschaft und ihre Feinde argumentiert Popper gegen die totalitären Ideologien und dabei kann man ihm allenfalls vorwerfen, einen Marxismus nach seiner Vorstellung zu widerlegen, doch auch das sei zur Diskussion gestellt. Indes schreibt er, nachdem er den „Historizismus“ von Marx kritisiert hat:
„Es ist dieser moralische Radikalismus Marxens, der seinen Einfluß erklärt, und das ist für sich genommen, eine Tatsache, die zu Hoffnung Anlaß gibt. Dieser moralische Radikalismus ist noch immer lebendig. Es ist unsere Aufgabe, ihn lebendig zu erhalten, ihn davor zu bewahren, daß er den Weg geht, den der politische Radikalismus wird gehen müssen. Der „wissenschaftliche“ Marxismus ist tot. Sein Gefühl für soziale Verantwortlichkeit und seine Liebe für die Freiheit müssen weiterleben.“5
Popper ist 1994 gestorben. Es ist zu spät, um ihn zu fragen, was er wohl vom Millionär Blocher gehalten hätte.
Blocher begeht außerdem die große Unvorsichtigkeit, George Orwell zu zitieren, den Verfasser der anti-totalitären Dystopie 1984 und der schonungslosen anti-stalinistischen Satire Die Farm der Tiere. Blocher unterläßt dabei freilich den seiner Sache wohl nicht bekömmlichen Hinweis, dass Orwell Mitglied der kleinen sozialistischen Linkspartei „Independent Labour Party“ (ILP) war, und dass er in dieser Eigenschaft nach Spanien ging, um dort in der Miliz der mit der ILP verbündeten Partido Obrero de Unificación Marxista (POUM) gegen die faschistische Armee zu kämpfen. Dabei lernte er die von den Agenten der UdSSR und der Kommunistischen Partei Spaniens gegen die POUM ausgeübte Repression kennen, die er später in seinem Buch Mein Katalonien beschrieben hat.
Ich habe erstaunliche Dinge gesehen und glaube nun wirklich an den Sozialismus, was ich früher nie tat.
George Orwell
1942 schreibt er in dem Essay Rückblick auf den Spanischen Krieg: „Im großen und ganzen ist die Wahrheit über den Krieg ganz einfach. Die spanische Bourgeoisie sah ihre Chance gekommen, die Arbeiterbewegung zu zerschlagen und nahm sie wahr, mit Unterstützung der Nazis und aller reaktionären Kräfte der ganzen Welt. … Im Grunde war es ein Klassenkrieg. Wäre er gewonnen worden, so hätte das die Sache des arbeitenden Volkes auf der ganzen Welt gestärkt. Er ging verloren, und die Aktionäre rieben sich die Hände. Das war es, um was es ging. Alles andere war Schaum auf der Oberfläche.“6.
Simon Leys, der brillante Analytiker des maoistischen Wahnsinns7, widmete Orwell ein kleines Buch8, worin er die Bedeutung des Spanienkrieges für die Entwicklung seines politischen Denkens hervorhebt.
So zitiert er Orwell, der nach seiner Rückkehr aus Spanien folgendes schreibt: „Ich habe erstaunliche Dinge gesehen und glaube nun wirklich an den Sozialismus, was ich früher nie tat.“9 Leys führt weiter aus: „Das Bekenntnis zu den Zielen des Sozialismus, das er nach Der Weg nach Wigan Pier formulierte, war vor allem ein Eintreten für eine Hoffnung. Aber jetzt, seit Spanien, wusste er: Der Sozialismus war möglich; während einer kurzen und unvergesslichen Zeit war er Realität gewesen, und er hatte darin seinen Platz und seine Aufgabe gefunden. Diese tiefgreifende Erkenntnis war jedoch begleitet von einer ersten und entscheidenden Konfrontation mit dem totalitären Gegner: dem Stalinismus. Für die Stalinisten schien die Möglichkeit eines authentischen Sozialismus die tausendfach gefährlichere Bedrohung als der Triumph des Faschismus und sie beeilten sich, diese revolutionäre Erfahrung zu Fall zu bringen und ihre Protagonisten zu massakrieren. Orwell wäre also, nachdem er an der Front nur knapp den Kugeln der Faschisten entkommen war, beinahe von den Leuten aus Moskau hinterrücks ermordet worden!“
Über sein Buch 1984 schreibt Orwell: „Mein letzter Roman ist kein Angriff auf den Sozialismus oder die englische Labour Party (zu deren Unterstützern ich zähle); er zeigt lediglich die Perversionen auf, zu denen eine zentralistische Wirtschaft fähig ist und wie sie im Kommunismus und im Faschismus teilweise bereits realisiert worden sind. Ich glaube nicht, daß die von mir beschriebene Gesellschaft notwendigerweise eintreten wird, ich glaube aber sehr wohl (selbstverständlich unter der Einschränkung, daß es sich bei dem Buch um eine Satire handelt), daß etwas ähnliches eintreten könnte. Des weiteren glaube ich, daß die totalitären Ideen im Denken der Intellektuellen überall Wurzeln geschlagen haben, und ich habe versucht, diese Ideen in ihrer logischen Konsequenz weiterzuführen. Der Roman spielt in England, um zu unterstreichen, daß die englischsprachigen Völker nicht besser sind als andere und daß der Totalitarismus, wenn er nicht bekämpft wird, überall triumphieren kann.“ 10
In einem anderen Zusammenhang hatte Orwell bereits einige Jahre vorher angemerkt, dass es in Anbetracht der Entstellungen des revolutionären Ideals „die Aufgabe des denkenden Menschen deshalb nicht ist, den Sozialismus abzulehnen, sondern sich einen Ruck zu geben und ihn zu humanisieren. … Wir müssen für Gerechtigkeit und Freiheit kämpfen; und Sozialismus bedeutet, wenn aller Unsinn abgestreift ist, Gerechtigkeit und Freiheit. Nur das Wesentliche ist es wert, bedacht zu werden. Vor dem Sozialismus zurückzuschrecken, weil so viele Sozialisten klägliche Leute sind, ist so absurd, wie das Reisen im Zug abzulehnen, weil man das Gesicht des Schaffners nicht leiden kann.“11
Liest man bei Simon Leys weiter, stößt man auf eine Passage die für Blocher geschrieben sein könnte: „Orwells Kampf gegen den Totalitarismus war nur die logische Folge seiner sozialistischen Überzeugung: er dachte tatsächlich, dass nur die Niederlage des Totalitarismus den Sieg des Sozialismus sichern konnte. Diese Haltung, die durch seine Texte immer wieder bestätigt wird, dürfte einigen seiner Anhänger seltsamerweise entgangen sein. So gibt es heute in Europa und Amerika neokonservative Kreise, die ihn für ihre Zwecke einspannen möchten; durch den selektiven Gebrauch seiner Schriften versuchen sie aufzuzeigen, dass er, wäre er noch am Leben, wohl einer ihrer überzeugendsten Fürsprecher geworden wäre … Diese Einverleibung Orwells durch die neue Rechte spiegelt jedoch weniger die potentiell konservative Dimension seines Denkens wieder als vielmehr die anhaltende Dummheit einer Linken, die, anstatt Orwell endlich zu lesen und zu verstehen, die Beschlagnahmung eines ihrer stärksten Schriftsteller zuläßt.“
Was – so fragt man sich – hätte nun Orwell vom Millionär Blocher gehalten? Bekannt ist jedenfalls, was er von den englischen Konservativen hielt. Im Rückblick auf den Spanischen Krieg schrieb er an anderer Stelle: „Ob die herrschende Klasse in England bösartig oder nur dumm ist, das ist eine der schwierigsten Fragen unserer Zeit und in bestimmten Augenblicken eine der wichtigsten.“12
Sozialismus und Kommunismus – die Antithese
Jene Sozialisten, die die Grundlagen des Marxismus verstanden hatten oder wie Orwell mit dem Stalinismus unmittelbar in Berührung geraten waren, konnten nichts anderes als Antikommunisten sein – eben weil sie Sozialisten waren.
Der „real existierende Kommunismus“ des sowjetischen Blocks war tatsächlich eine monströse Täuschung, eine der repressivsten und regressivsten Herrschaftsformen unserer Zeit und das Gegenteil des Sozialismus ungeachtet seiner Definition.
Orwell hat das am eigenen Leib erfahren und instinktiv erkannt. Von der Warte der politischen Soziologie konnte man das ökonomische und soziale System der UdSSR jedoch nur verstehen, wenn man es den marxistischen Grundfragen gegenüber stellte: Wer entscheidet über die Umverteilung der Mehrwerte? Welche Klasse hat die Macht? Durch welche Institutionen? Die repräsentativsten sozialistischen Theoretiker kamen bald zu dem Schluss, dass es sich um eine neue Art von Klassengesellschaft handelte, in welcher eine herrschende Klasse – die Bürokratie – ihr Monopol auf die politische Macht durch Polizei- und Militärterror aufrecht erhielt und sich infolge dieses Monopols kollektiv den Zugriff auf die Produktionsmittel sicherte, die formell Eigentum des Staates waren.
Karl Kautsky, politischer Theoretiker und vor dem zweiten Weltkrieg eine Leitfigur der deutschen Sozialdemokratie, schrieb bereits 1929:
„Nicht jede Verstaatlichung ist eine Sozialisierung. …Wo der Staatsapparat in den Händen einer Minderheit ein Mittel ist, die grosse Mehrheit des Volkes gewaltsam niederzuhalten, da bedeutet jede Verstaatlichung von Produktionsmittel eine Stärkung des Despotismus dieser Minderheit und vermehrte Sklaverei der arbeitenden Massen. Eine Verstaatlichung durch einen Staat dieser Art bedeutet das Gegenteil der Sozialisierung die wir anstreben. … Im Musterstaat des Kommunismus, in Sowjetrussland, ist der Staat dagegen gleichbedeutend geworden nicht mit der Nation, sondern mit einer Partei, die nicht einmal ein Prozent der Bevölkerung umfasst. Und diese Partei selbst wieder steht in vollster Abhängigkeit von einer herrschenden Clique. Die verstaatlichten Produktionsmittel sind dadurch tatsächlich zum privaten Eigentum der herrschenden Clique geworden. Sie verfügt über diese Produktionsmittel ganz nach ihrem Belieben. … Der Staat, den das Proletariat braucht, um sich zu befreien, und den wir verlangen, der völlig demokratische Staat, ist das Gegenteil des Staates, den die Kommunisten uns präsentieren. Die Verstaatlichung, die wir wollen, hat daher auch nichts gemeinsam mit der des Bolschewismus. Nur das Wort: Verstaatlichung haben wir gemein, nicht die Sache.
Annähernd deckungsgleiche Analysen werden seit den 1940er Jahren von marxistischen Denker unterschiedlichster Herkunft angestellt: u.a. von Max Shachtman in den Vereinigten Staaten14, Tony Cliff in England15, Cornelius Castoriadis in Frankreich16 und Milovan Djilas in Jugoslawien17.
Ebenfalls nicht vergessen werden sollte die zehn Jahre früher formulierte Mahnung der sozialistischen und demokratischen Revolutionärin Rosa Luxemburg:
„Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei – mögen sie noch so zahlreich sein – ist keine Freiheit. Freiheit ist immer nur Freiheit des anders Denkenden. Nicht wegen des Fanatismus der „Gerechtigkeit“, sondern weil all das Belehrende, Heilsame und Reinigende der politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn die „Freiheit“ zum Privileg wird. (…) Ohne allgemeine Wahlen, ungehemmte Preß- und Versammlungsfreiheit, freien Meinungskampf erstirbt das Leben in jeder öffentlichen Institution, wird zum Scheinleben, in der die Bürokratie allein das tätige Element bleibt. Das öffentliche Leben schläft allmählich ein, einige Dutzend Parteiführer von unerschöpflicher Energie und grenzenlosem Idealismus dirigieren und regieren, unter ihnen leitet in Wirklichkeit ein Dutzend hervorragender Köpfe, und eine Elite der Arbeiterschaft wird von Zeit zu Zeit zu Versammlungen aufgeboten, um den Reden der Führer Beifall zu klatschen, vorgelegten Resolutionen einstimmig zuzustimmen, im Grunde also eine Cliquenwirtschaft – eine Diktatur allerdings, aber nicht die Diktatur des Proletariats, sonder die Diktatur einer Handvoll Politiker, d.h. Diktatur im bürgerlichen Sinne, im Sinne der Jakobiner-Herrschaft.“18
Somit war es für einen Sozialisten seit jeher absurd, die Sowjetunion und die von ihr kontrollierten Länder als „sozialistische“ Länder zu bezeichnen. Selbst der Ausdruck „Sowjetunion“ war eine Fehlbezeichnung. Diese „Union“ war in Wahrheit ein Gefängnis der Völker, und die „Sowjets“, das heißt die „Räte“, durch welche das Volk die Macht ausüben sollte, waren ab 1921 nur noch Fiktion. Der Begriff „Kommunist“ ist in sich eine Täuschung, die vom „Kommunismus“ im Sinne Marx ablenkt. Die exakte Beschreibung dieses ökonomischen Systems lautete „bürokratischer Kollektivismus“ (für einige andere „Staatskapitalismus“) und seine zutreffende politische Bezeichnung hieß „Stalinismus“.
Wer zur Beschreibung des „kommunistischen“ Systems den Begriff „sozialistisch“ gebraucht, polemisiert in Wahrheit nur und spiegelt zwei politisch gegensätzliche, allerdings konvergente Absichten wieder: zum einen jene der konservativen Politiker, die den Sozialismus diskreditieren möchten, indem sie ihn mit der „kommunistischen“ Praxis identifizieren – wie das Blocher neben anderen tut – und zum anderen jene der Kommunisten selbst, die versuchen, in bestimmten Fällen bis heute noch, ihr System und ihre Politik zu legitimieren, indem sie sich das Vokabular und die historischen Symbole der Sozialdemokratie aneignen. In Wirklichkeit hat es einen „sozialistischen Staat“ nach Auffassung der Sozialdemokraten bis zum heutigen Tage nie gegeben.
Die menschlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen des stalinistischen Terrors waren von Anfang an bekannt. Die Zeugenaussagen und Analysen von menschewikischen Historikern wie David Dallin und Boris Nikolaevsky19, von führenden Kommunisten und Parteikader, die mit dem Stalinismus gebrochen hatten, wie Leon Trotzky20, Boris Souvarine21, Alexander Weissberg22, Margarete Buber-Neumann23, von Schriftstellern wie Arthur Koestler24, Victor Serge25 und Manès Sperber26 und vielen anderen27 gab es lange vor Robert Conquest, dem von Blocher bemühten Belastungszeugen.
Es waren linke Sozialdemokraten und oppositionelle Kommunisten, die die Welt erstmals aufrüttelten und auf die Verbrechen des Stalinismus hinwiesen, jedoch nicht nur auf die Feindseligkeit der von Moskau kontrollierten Parteien sondern auch bei der Rechten generell auf ein Klima der Gleichgültigkeit oder zynischen Genugtuung stießen. Ihnen ist zu verdanken, dass die Welt quasi in Echtzeit die Wahrheit über die Millionen von Bauern erfuhr, die in der Ukraine einer organisierten Hungersnot zum Opfer fielen, und über die zahllosen Sozialisten, abtrünnig gewordenen Kommunisten und Anarchisten, die in den Gefängnissen oder Lagern, auf den Baustellen des Kanals zum Weißen Meer, in Workuta, in der Kolyma, in den Lagern ohne Namen in der ganzen UdSSR und später in ganz Osteuropa umkamen.
Zu ehren ist das Andenken der Aktivisten, der Kader und Führungsgremien der sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien im nach 1945 von der russischen Armee besetzten Mittel- und Osteuropa, die ihre Freiheit und ihr Leben geopfert haben, weil sie sich weigerten, der von der sowjetischen Besatzungsarmee erzwungenen Einverleibung ihrer Parteien durch die kommunistischen Parteien Folge zu leisten.28 Es sollte auch nicht vergessen werden, welche Rolle die SPD unter der Führung von Kurt Schumacher im Kampf für ein unabhängiges Berlin spielte. Die Weigerung der SPD in Westberlin, sich mit der kommunistischen Partei zusammen zu schließen, hat nicht nur die Freiheit der Stadt gewährleistet, sondern den weiteren Verlauf der Geschichte Deutschlands entscheidend beeinflusst29.
Man kann sich nun fragen, wenn dem so ist, welcher Stellenwert den von Blocher angeführten Zitaten, wo Vertreter der SPS sich in Freundlichkeit gegenüber rumänischer, nordkoreanischer und ostdeutscher Kommunisten überbieten, zuzumessen ist. Es ist schon richtig: in den von Blocher genüsslich zitierten Aussagen spielen Kulturlosigkeit, Leichtfertigkeit, Zynismus und Dummheit mit. Keine große Volksbewegung kann solche Ausrutscher ganz vermeiden. Man darf auch nicht die Erblast der Gesellschaft unterschätzen, in der sie eingebettet sind und die im Namen des „Realismus“ Karrieristen und kleinkarierte Bürokraten fördert, denen nur noch an lokalen Wahlerfolgen gelegen ist und die stets den Weg des kurzfristig geringsten Widerstands wählen.30
Aber diese Art von Opportunismus erklärt nicht alles. Die Sozialdemokraten haben ein grundlegendes Problem, dem es sich zu stellen gilt: Gemeint ist die auf bestimmte Sozialdemokraten ausgeübte Anziehungskraft autoritärer Ansätze. Hal Draper31 erklärte das mit den zwei Seelen des Sozialismus: seiner demokratischen Seele auf der einen Seite, die auf Marx zurückgeht und der zufolge der Sozialismus die große Befreiungsbewegung zu sein hat, die er in der Tat ist, und seiner autoritären Seele auf der anderen, die in der utopistischen Tradition gründet. Die autoritäre Seele wird durch die Erblast der bürgerlichen Gesellschaft bestärkt, die in sich selbst autoritär ist („die alte Scheisse“, in den Worten Marx‘), und von der sich die sozialistische Bewegung und vor allem die rechten Sozialisten nur mit Mühe befreien.
In der englischen Arbeiterbewegung finden sich reformistische Theoretiker wie Sidney und Beatrice Webb, die für die russische Oktoberrevolution nur Verachtung übrig hatten (chaotisch und wirrköpfig) und Stalin Rosen streuten, weil er Ordnung in die Sache brachte.32 Es gibt noch andere Beispiele und nicht nur in England, mit denen sich das Naheverhältnis der bürokratischen und technokratischen Tendenz im sozialdemokratischen Reformismus zum stalinistischen Regime aufzeigen ließe. Wenn für Lenin der Sozialismus „die Elektrizität plus die Räteherrschaft“ bedeutete, begnügten diese sich mit der Elektrizität.
Natürlich gab es auch Sozialisten der pro-stalinistischen Linken. Léon Nicole in Genf zum Beispiel, der weder Bürokrat noch Technokrat war, dafür ein großer Volkstribun, autoritär und leidenschaftlich, dessen Intelligenz mit seiner Leidenschaft jedoch nicht Schritt zu halten vermochte und der nach seiner Rückkehr aus der UdSSR ähnlichen Unsinn erzählte wie das Ehepaar Webb.33
Das eigentliche Problem ist aber eben nicht in dieser Art von Affinitäten zu suchen, die nichts anderes sind als eine Folgeerscheinung, sondern in der Ursache: in den autoritären Tendenzen, die einer bestimmten Auffassung von Sozialismus innewohnen, welche ihn auf eine von einer politischen oder militärischen Elite verwalteten Wirtschaftsform reduziert. Eine Erscheinungsform dieser demokratiepolitischen Farbenblindheit gegenüber selbsternannten „sozialistischen“ Regimen oder autoritären Bewegungen gibt es bis heute; es sind der post-stalinistische politische Abfall oder gewisse (auch sozialistische) Drittweltmilieus, die sich weiterhin an China oder Kuba wie an ein gelobtes Land klammern. Vor 1917 hatte kein Sozialist das Bedürfnis nach einem gelobten Land, denn der Sozialismus war in den Köpfen und Herzen daheim und das genügte, um die wichtigste internationale soziale Bewegung der neueren Geschichte zu gründen.
Diese der sozialistischen Bewegung innewohnenden Kontroversen kümmern Blocher freilich nicht. Blocher kann nicht einmal zwischen dem Sozialismus „von oben“ und dem Sozialismus „von der Basis“ unterscheiden. Und könnte er es, würde ihn letzterer zweifellos mehr stören. Lieber begnügt er sich mit einem groben Amalgam von Sozialismus und Stalinismus.
Ginge es darum, die in der modernen Gesellschaft existierende Neigung zum Autoritarismus zu diskutieren, eine für die Demokraten aller Lager gleichermaßen problematische und beunruhigende Entwicklung, müßte man beim Autoritarismus der Rechten anfangen. Wie kann man den Menschen dazu verhelfen, ihren Obrigkeitsglauben insbesondere in den Unternehmen, an den Schulen und in der Armee abzulegen? Wie hält man den Versuchungen der öffentlichen Verwaltung, stand und mehr noch der Privatwirtschaft, den Bürger als „Verwaltungsobjekt“ zu behandeln. Wie ist eine echte Gleichberechtigung von Mann und Frau zu erreichen? Wie kommt es, dass die Spielregeln der Demokratie, die im Prinzip jedermann akzeptiert, in den Unternehmen nie zum Tragen kamen?
Wäre Blocher ein seriöser Politiker, hätte er sich einer seriösen Debatte über die Gefahren gestellt, die der Freiheit (den Freiheiten) in der heutigen Gesellschaft drohen, und er hätte die Frage aufgegriffen, wie die Linke und die Rechte diesen Gefahren begegnen können. Diese Debatte wird zweifellos stattfinden, vermutlich aber ohne Blocher, den nur seine eigene Freiheit interessiert; denn was die anderen angeht, so hat sich jeder selbst zu behaupten: „In einer freien Gesellschaft ist die Rechtsgleichheit vor dem Gesetz als einzige Gleichheit möglich und nötig“34, bzw. mit Anatole France gesprochen, in seiner Erhabenheit garantiert das Gesetz dem Millionär und dem Obdachlosen gleichermaßen die Freiheit, unter der Brücke zu schlafen.
Was nun die politische Kultur der sozialdemokratischen Parteien und ihre generelle Politik anlangt, wurden sie von keinen pro-stalinistischen Minderheiten bestimmt, und Blocher weiß das. Im Fall der Schweizer Sozialdemokratie waren es Politiker wie Hermann Greulich und Robert Grimm, Charles Naine und Pierre Graber, Karl Dellberg und Paul Golay, Jules Humbert-Droz und Walther Bringolf, die sie über Jahrzehnte hinweg entwickelt und geprägt haben. Diese Leute wußten, was totalitäre Regime sind. Die Tatsache, dass die SPS 1939 Léon Nicole wie auch die SP Genf und Nyon ausschloss, weil sie den Hitler-Stalin-Pakt unterstützten, wiegt in der Geschichte der Partei schwerer als der schon damals in der Partei umstrittene und törichte Umgang einiger Weniger mit den grotesken Autokraten des stalinistischen Systems.35
Und wenn wir schon dabei sind, Zitate auszutauschen, könnte man auch eine stattliche Reihe von Erklärungen bürgerlicher und unter ihnen so manches erzkonservativen Politikers anführen. Der Vater der deutschen „Ostpolitik“ war Franz-Joseph Strauss, und das lange vor Egon Bahr und Willy Brandt. Das wäre an sich nicht einmal erstaunlich, hat doch das Unternehmertum – tatkräftig unterstützt durch die politische Rechte – das getan, was den Sozialdemokraten niemals eingefallen wäre, selbst dann nicht, als sie in etlichen europäischen Staaten an der Regierungsmacht waren und die Mittel dazu gehabt hätten: Es waren nicht die Sozialdemokraten, die den kommunistischen Regimes zu einem längeren Leben verholfen haben, indem sie sie mit ihren Investitionen über Wasser hielten.
Wodka-Cola: gestern wie heute
Als das kommunistische System in den 1960-er und 70-er Jahren erste Anzeichen einer Krise zeigte, kam es in den Ostblockländern und in Jugoslawien zu einem explosionsartigen Anstieg der von den transnationalen Konzernen (TNKs) in diese Länder getätigten Investitionen: Die Zahl der Kooperationsabkommen zwischen den Transnationalen und den kommunistischen Staatsbetrieben stieg (in runden Zahlen) von 300 im Jahr 1970 auf 4000 im Jahr 1977. Von diesen Abkommen profitierten alle 1000 wichtigsten TNKs, die in der kapitalistischen Welt 80% des gesamten Produktionsaufkommens kontrollieren.36
Diese Kooperationsabkommen waren unterschiedlicher Art: Üblich waren Lizenzvergaben im Austausch für Produkte oder Fertigungsteile für Endprodukte, gemeinsame Fertigungsabkommen, Untervergaben, usw., die zumeist auf dem Tausch von Produkten und Dienstleistungen beruhten, um das Problem der nicht konvertierbaren Währungen zu umgehen.
1977 waren allein in Moskau über 150 TNK-Filialen eingetragen: 35 deutsche, 25 französische, 23 amerikanische, 21 japanische, 14 italienische, 9 schwedische, 5 britische, 5 finnische, 4 holländische, 3 spanische, 3 schweizerische, 2 österreichische, 2 belgische, eine australische und eine indische. In Bukarest waren es im selben Jahr 109 Transnationale aus 13 Ländern, darunter auch aus der Schweiz, und sechs hatten in Bulgarien Kooperationsverträge abgeschlossen. Nicht anders verhielt es sich in der DDR, in Polen, in der Tschechoslowakei und natürlich in Jugoslawien.37
Zu den bekannteren und für damals typischen Kooperationsverträgen gehören jene von FIAT in der UdSSR (das Lada-Werk in Togliattigrad) sowie in Polen und Jugoslawien, von Renault (für die Produktion der Automarke Marke Dacia) und von British Aerospace (für die Flugzeuge BAC 111) in Rumänien oder von ITT (richtig, derselbe Konzern, der 1973 gegen die Regierung Allende in Chile konspiriert hatte), der ab 1968 sämtliche sowjetische Flughäfen mit Reservierungs- und Kommunikationssystemen ausrüstete, und natürlich die Lizenzabkommen von Coca-Cola und Pepsi-Cola; im Fall von Pepsico brachte das dem Konzern das Importmonopol für in der UdSSR hergestellten Wodka in die kapitalistische Welt.
Damit die Liste der guten Beziehungen zwischen dem transnationalen Kapital und dem Sowjetblock auch wirklich vollständig ist, darf man die großzügigen Kredite der westlichen Banken nicht vergessen (die zu einer massiven Verschuldung Ungarns, Polens oder der UdSSR führten), den Handel mit Nahrungsmitteln (im besonderen den Verkauf von amerikanischem, kanadischem, australischem und argentinischem Weizen und die Nahrungsmittelverkäufe der Europäischen Gemeinschaft an die UdSSR und an andere Ostblockländer) und nicht zuletzt die Beteiligung der UdSSR am südafrikanischen Diamantenkartell (zu Zeiten der Apartheid).
Die transnationalen Investitionen in das stalinistische System während der 20 Jahre vor seinem Niedergang blieben auch nicht ohne politische Konsequenzen. Sie dienten unter anderem dazu, enge Verbindungen zwischen den herrschenden Klassen beider Systeme, also zwischen der Elite der internationalen Arbeitgeberschaft und der Nomenklatura des Ostblocks zu schaffen. Wenn man sich vorstellt, was man sich in dieser kleinen Welt im Laufe von unzähligen Arbeitssitzungen, offiziellen Zeremonien und reichlich begossenen Banketten alles zu erzählen hatte, so fallen die Liebenswürdigkeiten einiger Sozialdemokraten im Vergleich dazu geradezu unbedeutend aus. Dies umso mehr, als sie keinerlei praktische Folgen hatten – ganz im Gegensatz zu den Beziehungen zwischen den Wirtschaftskapitänen beider Systeme.
Eine ihrer praktischen Auswirkung bestand jedenfalls darin, dass der sowjetischen Nomenklatura die Umschulung zu einer neuen herrschenden Klasse eines in besonderem Maße mafiösen und kriminellen Kapitalismus ermöglicht wurde.
Gegenwärtig findet dieser Prozess in China statt und zwar nach exakt denselben Mustern. Blochers eigenes Unternehmen, die Ems Chemie, ist einer von vielen Transnationalen, die in das Land investieren, was nicht unkommentiert geblieben ist. Es läßt ihn offenbar kalt, dass die demokratische Bewegung in China und mit ihr die zahlreichen Versuche, unabhängige Gewerkschaften zu gründen, grausam unterdrückt werden. Das, was für ihn und die anderen zählt, ist nicht „die totalitäre Ideologie, die das Individuum unterjocht“, sondern einzig der Profit, den ein kapitalistisches Unternehmen aus einem System schöpfen kann, das ihm „Stabilität“ garantiert. Namentlich schützt ihn dieses System vor den Forderungen der Arbeiter und zwar mit den Mitteln der polizeilichen und militärischen Gewalt.
Der Widerstand gegen den Nazismus
Ein besonders widerwärtiges Amalgam in Blochers Schmähschrift ist jenes, wo er dem Sozialismus unterstellt, auf „gleichen ideologischen Wurzeln“ zu gründen wie der Nationalsozialismus und der Faschismus. An einer vor Heuchelei nur so strotzender Stelle würdigt er zwar „die zahlreichen Vertreter der Sozialdemokratie“, die „mit Mut und Zivilcourage im Kampf gegen den Naziterror standen“38, verweist jedoch im selben Atemzug auf „ihre gemeinsamen ideologischen Wurzeln“, um sie unter Berufung auf Ludwig von Mises gleich wieder in einen Topf zu werfen: „Beide – Marxismus und Nationalsozialismus – stimmen in der Gegnerschaft gegen den Liberalismus und in der Ablehnung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung überein. Beide streben eine sozialistische Gesellschaftsordnung an.“39
Von Mises schrieb diese Zeilen 1932, als das deutsche Großkapital die nationalsozialistische Bewegung in der Hoffnung finanzierte, sie würde ihm als Schlägertruppe dienen, um die – hauptsächlich sozialdemokratisch orientierte – Arbeiterbewegung zu zerschlagen. Diese Hoffnung sollte nicht enttäuscht werden. Hugenberg40 und seine Verbündeten hatten begriffen, was dem „maßgeblichen Vordenker“ des 20. Jahrhunderts von Mises damals schon und Blocher offenbar bis heute entgangen ist: Den Interessen des kapitalistischen Regimes im Deutschland der 30-er Jahre war nach Ansicht seiner Anführer mit den Nationalsozialisten besser gedient als mit den Liberalen. Die Begriffe „Sozialistisch“ und „Arbeiter“ im Namen der Partei machten dem deutschen Großkapital nicht die geringste Besorgnis. Sie wußten, dass die soziale Demagogie Hitlers eine verlogene Manipulation war. Hitler stand in ihrer Schuld und zum Beweis veranlaßte er die Ermordung der radikalen Nazis wie Röhm und Strasser, die den sozialen Radikalismus der Nazi-Propaganda vor der Machtübernahme 1933 ernst genommen hatten.
Zehn Jahre vorher war ganz das Gleiche in Italien geschehen, wo sich das Großkapital des Faschismus und Mussolinis zur Unterdrückung der mehrheitlich sozialistischen Arbeiterbewegung bedient hatte, deren Fabriksbesetzungen ihm so sehr Angst eingejagt hatten. Wie Hitler nach ihm, hatte sich auch Mussolini schnell des radikalen Flügels seiner Bewegung entledigt, der sich aus Überläufern aus der syndikalistischen Gewerkschaftsbewegung zusammensetzte.
Im Gegensatz dazu, was Blocher uns glauben machen will, wurde das kapitalistische System weder vom Nazismus noch vom Faschismus je in Frage gestellt. Kein Privatbesitz, sofern er sich in deutscher, nichtjüdischer Hand befand, wurde je von den Nazis konfisziert. Die deutschen Arbeitgeber haben bis auf wenige ehrenwerte Ausnahmen den Nazismus bis zum Ende des Krieges unterstützt ebenso wie der italienische Arbeitgeberverband den Faschismus unterstützt hat und wie es die Arbeitgeberverbände im gesamten besetzten Europa bis zur Befreiung getan haben. Auch der japanische Arbeitgeberverband hat die Militärdiktatur während des ganzen Krieges in China und im Pazifik unterstützt. Angenommen, die Schweiz wäre besetzt gewesen, wäre es interessant gewesen zu sehen, welche Teile der Arbeitgeberschaft sich dem Widerstand angeschlossen hätten.
Der Nationalsozialismus hat die „Marktwirtschaft“ nie aus Prinzip bekämpft; wenn er „für die möglichst zentrale Lenkung der Wirtschaft“ eingetreten ist, dann lediglich im Sinne einer kriegswirtschaftlichen Logik.
Blocher anerkennt zwar, dass die Sozialdemokraten dem Nationalsozialismus Widerstand geleistet haben, relativiert dies aber sogleich: „ … genau wie etwa Liberale, bekennende Christen, Angehörige des Adels oder im Widerstand engagierte Offiziere“.
Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.
Otto Wels
Die Fakten sind vielmehr folgende: Der sozialdemokratische Widerstand begann lange vor 1933 mit den Straßenschlachten gegen die Nazi-Banden, und die einzige parlamentarische Fraktion im Reichstag, die am 23. Februar 1933 (zu einem Zeitpunkt, als der Naziterror bereits im Gange war) gegen das „Ermächtigungsgesetz“ stimmte, waren die Sozialdemokraten, von denen bereits ein Viertel der Abgeordneten entweder verhaftet oder im Exil war (die Kommunisten befanden sich bereits in der Illegalität und ihre 81 Abgeordneten waren ihrer Ämter enthoben worden). Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Abgeordnetengruppe, Otto Wels, erklärte damals: „Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus. Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten. … Wir grüssen die Verfolgten und Bedrängten. Wir grüssen unsere Freunde im Reich. Ihre Standhaftigkeit und Treue verdienen unsere Bewunderung. … Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“41
Was man den Sozialdemokraten sehr wohl vorwerfen kann, ist, dass sie die Nazibewegung nicht verhinderten, als sie die Macht des Staates noch kontrollierten, und dass sie keinen bewaffneten Widerstand leisteten, als ihre Miliz, der Reichsbanner, dazu noch in der Lage war.
Diesem Widerstand hätte jedoch die Unterstützung der Kommunisten gefehlt, die die Sozialdemokraten zum Hauptfeind erklärt hatten (sie nannten sie „Sozialfaschisten“ in einem Amalgam, das Blocher würdig ist) und mit den Nazis paktierten (insbesondere beim Streik des öffentlichen Transports in Berlin 1932, der von den kommunistischen und nationalsozialistischen Werksgruppen gemeinsam organisiert worden war).
Der kommunistische „Antifaschismus“ setzte erst ein, als Stalin nach 1934 die Politik der „Volksfront“ lancierte. Mit dem Hitler-Stalin-Pakt erfuhr er 1939 ein abruptes Ende, um 1941 wieder aufgenommen zu werden, als Hitler die UdSSR überfiel. Doch auch hier gilt zu unterscheiden, dass dieses stalinistisch-nazistische Einverständnis nichts mit vermeintlichen gemeinsamen ideologischen Wurzeln zu tun hatte, wie uns Blocher glauben machen will, sondern mit der totalen Unterordnung der stalinisierten kommunistischen Bewegung an das außenpolitische Gebot der Stunde der UdSSR.
In jedem Fall sollten die Sozialdemokraten teuer dafür bezahlen, dass sie ihren politischen Willen durch ein blindes Vertrauen in den bürgerlichen Rechtsstaat erlahmen ließen, ebenso wie die Kommunisten für ihre selbstmörderische Politik bezahlen sollten, das Aufkommen des Nazismus zu begrüssen, weil sie meinten, seine Nachfolge kurzfristig antreten zu können. Schätzungen zufolge beläuft sich die Zahl der Deutschen die zwischen 1933 und 1945 in den Gefängnissen und Konzentrationslagern eingesperrt waren, auf 750.000 bis 1,2 Millionen, zusätzlich zu denen die ausschliesslich wegen iher jüdischen Herkunft verfolgt und schliesslich ermordet wurden. Die Zahl der „offiziellen“ Todesurteile betrug 12.000; in ihr sind jedoch nicht die Hinrichtungen enthalten, die ohne Gerichtsverfahren durchgeführt wurden und in die Tausenden gingen.
Wer waren diese mehreren hunderttausend Opfer? Die Zahl der nach dem Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 hingerichteten Offiziere wird auf 2.000 geschätzt. Die Opfer des Nationalsozialismus (Gefangene oder Ermordete) in den Reihen der bürgerlichen Parteien (Deutschnationale, Zentrum, Demokraten), der Industriekader und freien Berufe, der dissidenten Nazi, der antinazistischen Christen sowie der bündischen Jugendbewegungen werden auf einige hundert geschätzt42 – insgesamt zweifellos weniger als 2 % aller Naziopfer. Hinzu kommen die vielen Menschen ohne klare politische Zugehörigkeit, die zu Haftstrafen verurteilt oder ermordet wurden, weil sie BBC hörten, weil sie sich abfällig über das Regime äußerten oder weil sie sich eines menschlichen Verhaltens gegenüber Juden, Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeitern schuldig gemacht hatten. Ihre Zahl wird auf mehrere zehntausend geschätzt. Die größte Gruppe deutscher Opfer waren die mehrere hunderttausend zählenden Regimegegner aus den Reihen der Sozialdemokraten und Kommunisten unterschiedlicher Fraktionen, von denen die meisten Arbeiter waren.
Die Verdienste solcher heldenhafter und herausragender Personen wie Dietrich Bonhöffer oder der Huber-Scholl-Gruppe der „weißen Rose“ werden nicht geschmälert, im Gegenteil, wenn man sich vergegenwärtigt, wie allein sie dastanden.
Auch hinsichtlich der höheren Wehrmachtsoffiziere, die 1944 in den Widerstand gingen, steht die Würde ihres Opfers nicht zur Debatte. Es soll jedoch daran erinnert werden, welches Motiv hinter ihrem Handeln stand: In dem Wissen, dass der Krieg verloren war, ging es ihnen darum, Deutschland vor der nationalen Katastrophe einer völligen militärischen Niederlage und nachfolgenden Besatzung zu retten, die von den meisten von ihnen sicherlich nicht als Befreiung empfunden worden wäre.
In Deutschland wie in ganz Europa war es von Anfang an die sozialdemokratische Bewegung, die dem NS-Regime bis zum Ende des Krieges die politisch konsequenteste Widerstandsfront entgegen stellte: in Frankreich waren es die Aktivisten und Aktivistinnen von „Libération“ und „Nord“; in Italien die Bewegung „Giustizia e Libertà“ (später „Partito d’Azione“) der von Mussolini ermordeten Brüder Rosselli und die PSI; in Polen die zionistischen Sozialisten und der jüdische Arbeiterbund, die den Aufstand im Warschauer Ghetto im Jahr 1943 anführten, und die sozialistische Partei Polens, die ein Jahr später die Kader für den Aufstand von Warschau stellte.
Beeindruckend ist die große Solidarität der schweizerischen Arbeiterbewegung mit ihren verfolgten Genossinnen und Genossen aus Deutschland.
Hermann Wichers
Und wie stand es um die Schweizer Sozialdemokraten? Geben wir das Wort dem Historiker Hermann Wichers: „Beeindruckend ist die große Solidarität der schweizerischen Arbeiterbewegung mit ihren verfolgten Genossinnen und Genossen aus Deutschland. Da sich Bund und Kantone der Verantwortung für das Schicksal der aufgenommenen Flüchtlinge weitgehend entzogen, waren diese vollständig auf materielle Hilfe befreundeter Kreise angewiesen. SPS und Gewerkschaften gründeten zu diesem Zweck bereits im Frühjahr 1933 die Schweizerische Flüchtlingshilfe. Auf seiten der Kommunisten übernahm die Rote Hilfe die anstehenden Aufgaben. Die für die Unterstützung der Flüchtlinge notwendigen Gelder wurden von der schweizerischen Arbeiterschaft und ihren Organisationen – allen voran der Gewerkschaften – selbst aufgebracht, eine angesichts der wirtschaftlichen Krise der 30er Jahre enorme Leistung. Neben der organisierten Hilfe stand die praktische Solidarität vieler „kleiner“ Leute, die oftmals selbst wenig besaßen, aber dennoch kostenlose Schlaf- und Essensplätze zur Verfügung stellten, mit dem Lebensnotwendigsten aushalfen und den Flüchtlingen Anteilnahme und ein neues soziales Umfeld boten. Wie nicht anders zu erwarten, fiel auch in proletarischen Familien diese Aufgabe im wesentlichen den Frauen zu, die darin vielfach Selbstbestätigung und Anerkennung fanden. Insgesamt werden die bedrückenden Lebensverhältnisse der Flüchtlinge spürbar ….“
„Trotz aller Restriktionen und Gefahren kämpften sowohl sozialdemokratische als auch kommunistische Flüchtlinge von der Schweiz aus weiter gegen das nationalsozialistische Regime. Sie waren nicht bereit, das Verbot jeglicher politischer Betätigung zu befolgen, da sie Deutschland verlassen hatten, um weiter für ihre Überzeugung eintreten zu können.“ 43
Neben der von der Schweizer Zivilgesellschaft geleisteten Hilfe für politische Flüchtlinge muss auch die von zahlreichen führenden Sozialdemokraten und Gewerkschaftern organisierte Unterstützung für den deutschen und österreichischen Widerstand erwähnt werden; darunter waren Leute mit internationalen Verpflichtungen wie Konrad Ilg, Sekretär des Internationalen Metallarbeiterbunds (IMB) oder Jean Schifferstein, Sekretär der Internationalen Union der Lebensmittelarbeiter (IUL). Sie halfen mit Logistik und Geld, mit Hilfeleistungen an die Familien der eingesperrten Genossen, mit der Aufrechterhaltung der Kurierverbindungen (in erster Linie über das Verbindungsnetz der Eisenbahner), mit der Verbreitung der im Untergrund hergestellten Schriften, usw.
Für Blocher sind das bestenfalls innerfamiliäre Zwistigkeiten: „Die Tatsache dass eine politische Gruppierung die andere verfolgt und bekämpft, bedeutet nicht, dass die ideologischen Wurzeln nicht identisch sein können.“ Er treibt dieses Amalgam sogar noch weiter und beschreibt den Hitler-Stalin-Pakt als eine „Verbrüderung von Nationalsozialismus und Sozialismus“.44 In Wahrheit waren unter den großen politischen Strömungen der damaligen Zeit die Sozialdemokraten sowohl individuell wie auch als Bewegung die hauptsächlichen Opfer dieses Paktes.
Wie unanständig muß man sein, um glauben machen zu wollen, dass die „ideologischen Wurzeln“ des Nationalsozialismus, die Glorifizierung von Rasse, Blut und Boden, mit der politischen Kultur der Sozialdemokratie verwandt sind, deren Fundament die Anerkennung der Gleichwertigkeit jedes einzelnen Menschen ist!
Blochers eigentliches Problem
Blocher hält sich mit solchen Details nicht auf. Die Verleumdung der Sozialdemokratie dient ihm lediglich als Einleitung zu seinem eigentlichen Thema: Die Rolle des Staates. Teilen nicht der Sozialismus, mag er nun demokratisch sein oder nicht, der Nationalsozialismus und der Kommunismus den Glauben an „den Kollektivismus und die Allmacht des Staates“?45 Und muß man ihnen nicht ein klares Bekenntnis zur Freiheit entgegen stellen? Gemeint ist die Freiheit der Wirtschaft im weitesten Sinne, bzw. die Freiheit, in welcher „der Staat die Souveränität der Konsumenten möglichst wenig antastet.“ Ist dass nicht die Grundvoraussetzung für die politische und persönliche Freiheit und somit für die Freiheit an sich? Das wären die wichtigen und interessanten Fragen, über die zu diskutieren es sich lohnte.
Blocher enttäuscht uns aber gleich wieder. Man merkt sehr bald, dass er vor allem dann ein Problem mit dem Staat hat, wenn ihm dieser Steuern abverlangt. Den Millionär Blocher empört die Tatsache, dass der Staat ihm, wie auch seinen Mitbürgern, „die freie Verfügung über ihr Einkommen“ versagt, „indem er es ihnen durch Steuern, Abgaben und Gebühren wegnimmt.“
Soll der Staat das Volkseinkommen besteuern und zugunsten der Schwächsten umverteilen? Selbstverständlich nicht: Ein vom Staat „verordneter Solidaritätszwang ist sinnlos“46. Und der Staat darf sich nicht das Privileg aneignen, „immer mehr die Befriedigung lebenswichtiger Bedürfnisse – die er definiert – an sich zu ziehen.“47 In Wirklichkeit sind es die Bürger selbst, die auf demokratische Weise definiert haben, welche Bedürfnisse ihrer Ansicht nach lebensnotwendig sind und vom Staat befriedigt werden müssen: das kostenlose und allen frei zugängliche öffentliche Bildungswesen zum Beispiel oder ein funktionierendes öffentliches Gesundheitswesen. Aber Blocher findet es unerträglich, dass er vom Staat zur Kasse gebeten wird, um seinen Beitrag zur Finanzierung solcher öffentlicher Einrichtungen zu leisten, und schreit Totalitarismus. Denn es handelt sich ja um sein Geld, das der Staat ihm nehmen will. Jedenfalls „wäre es sinnvoller, wenn alle selber für ihren Lebensunterhalt aufkommen würden „48 – wie es der hard-working Millionär Blocher mühelos tut, im Gegensatz zum faulen Arbeitslosen.
Der aufschlußreichste Satz ist der folgende: „Wer durch ständig steigende Steuern, Abgaben und Gebühren gezwungen wird, sich solidarisch zu verhalten, wird nicht etwa sozialer, sondern unwillig und zunehmend egoistischer.“49 Hier beschreibt Blocher sich selbst. Das ist der Reflex des Hundes, der knurrt, weil er glaubt, man wolle ihm seinen Knochen nehmen.
Der „freie Markt“: eine Propagandafiktion
Abschließend muß man sich folgendes fragen: Warum Blocher, und warum gerade jetzt? Die blochersche Ideologie ist Teil einer Offensive gegen den Sozialstaat, die seit der Präsidentschaft Reagans von 1983 von den USA ausgeht, sich aber schon in den Jahrzehnten davor anbahnte, genährt von der politischen Rechten in Form von Think Tanks, Büchern, akademischen Lehrstühlen, usw.50 Wenn sich die neoliberalen Wirtschaftswissenschaftler und Lehrmeister Blochers (Friedrich von Hayek, Ludwig von Mises, William Röpke, usw., aber auch Milton Friedman und andere) im Laufe der Zeit von einer obskuren akademischen Sekte zu den Vordenkern der Welt gewandelt haben, dann nicht, weil ihre Ideen mit den Jahren verdienstvoller geworden wären, sondern weil sich die politischen und sozialen Machtverhältnisse in den modernen Industriegesellschaften und auf globaler Ebene grundlegend geändert haben.
Ein Staat konnte seine Rolle als Schirmherr des „allgemeinen Interesses der Gesellschaft“ ausüben weil sich die Arbeiterbewegung eine Machtposition erkämpft hatte und von dort aus mit dem Kapital verhandeln konnte, ein Kapital das darauf bedacht sein musste, Schlimmeres zu verhüten. Das konnte der Staat aber nur so lange, als das Kräftegleichgewicht anhielt das den sozialen Konsens untermauerte: eine Errungenschaft der Industriegesellschaften der Nachkriegszeit (den „dreissig glänzenden Jahren“ des europäischen Wirtschaftswunders).
Was wir heute erleben, ist der Bruch dieses Gleichgewichtes, die Verlagerung der in der Gesellschaft geltenden Machtverhältnisse zugunsten des Kapitals, welches durch die Globalisierung in der Lage ist, sich zu internationalisieren und damit dem Druck der innerhalb der nationalen Grenzen agierenden Gewerkschaften und der politischen Linken auszuweichen. Das Kapital ist an einem sozialen und politischen Konsens nicht länger interessiert. Es will nicht nur seinen Beitrag an den Sozialstaat nicht mehr erbringen, sondern es stellt die Rolle des Staates – und damit der Politik – überall dort grundsätzlich in Frage, wo es sich vom Staat eingeschränkt fühlt. Der Blocherismus ist die Schweizer Version dieser neuen Arroganz des Kapitals.
Damit ist freilich nicht gesagt, dass der Staat in all seinen Funktionen abgeschafft werden soll. So wird etwa die Souveränität des Staates keineswegs zur Debatte gestellt wo die öffentliche Hand dem Kapital zu Diensten sein soll, und zum Schutz der Interessen der transnationalen Konzerne auf gesetzlicher, politischer und ökonomischer Ebene und mitunter auch mit den Mitteln der staatlichen Gewalt einschreiten soll. Wenn der Staat von den Theoretikern des Neoliberalismus in Frage gestellt wird, dann lediglich in seiner Funktion als Verteidiger des öffentlichen Interesses und der sozialen Gerechtigkeit.
Das theoretische Problem der neuen Rechten besteht darin, dass der „real-existierende Kapitalismus“ mit dem neoliberalen Modell in Wirklichkeit nichts zu tun hat. Der Aufschwung der transnationalen Konzerne, der Speerspitze und hegemonialen Macht im modernen Kapitalismus, hat das Modell grundlegend verändert. Denn wenn eine kleine Zahl transnationaler Gesellschaften alle wichtigen Märkte dominiert und ihre gegenseitigen Beziehungen ebenso sehr durch Kooperation wie durch Wettbewerb und Konflikt gekennzeichnet sind, und wenn ein wesentlicher Anteil des Welthandels – 40 % laut gewissen Schätzungen – unter den Filialen ein und derselben transnationalen Gesellschaft abgewickelt wird, wobei eine über interne Transferleistungen51 verlaufende Preisstruktur zur Anwendung gelangt, kann von einem „freien Markt“ keine Rede sein.
Der moderne Kapitalismus, ein in Wahrheit hochreglementiertes und künstliches System, beruht auf einem komplexen Gefüge formeller und informeller Absprachen zwischen den Unternehmen selbst sowie zwischen ihnen und den einzelnen Regierungsinstanzen. Diese Absprachen regeln Marktanteile, das Wesen der Handelsbeziehungen, die Finanzierungsbedingungen und die einzelnen Produktionsfaktoren, darunter in hohem Maße die Arbeitskosten52.
Das System wird nicht von einer „unsichtbare Hand“ geleitet, sondern funktioniert aufgrund bewußter politischer Entscheidungen, die von privaten oder öffentlichen Einrichtungen getroffen werden, also von jenen, die die Macht haben, Entscheidungen zu treffen und auch umzusetzen.
Mit anderen Worten: Dieses System entwickelt sich entlang bestimmter Kräfteverhältnisse, die sich ständig verändern, dadurch dass die in ihm organisierten sozialen Akteure ständig miteinander konfrontiert sind. In diesem Kontext ist der Begriff des „freien Marktes“ als Hort der Freiheit eine deterministische ideologische Fiktion, die in keinem Verhältnis zur Realität steht. Er hat eine rein polemische und demagogische Funktion, die darin besteht, den Gegner in die Defensive zu versetzen, in der öffentlichen Meinung Verwirrung zu stiften, die realen Machtverhältnisse zu verschleiern und den Bürgerinnen und Bürgern vorzumachen, dass alle für sie relevanten Fragen außerhalb ihrer Entscheidungsbefugnis liegen. Dem diametral gegenüber gestellt, versucht die Sozialdemokratie, den Bürger die Mittel zu geben, die sie ermächtigen die gesellschaftlichen Vorgänge zu verstehen und in alle Angelegenheiten die sie etwas angehen, einzugreifen.
Die individuelle Freiheit und die Rechte des Einzelnen sind de facto nur dort geschützt, wo es Regeln gibt. Lamennais hat bereits im 19. Jahrhundert darauf hingewiesen, dass „im Verhältnis zwischen dem Starken und dem Schwachen die Freiheit unterdrückt und das Gesetz befreit.“ Die von Blocher angepriesene „Freiheit des Konsumenten“ gilt nur in dem Maße, in dem der Konsument auch und vor allem Bürger ist, der sich mit politischen Mitteln gegen die Betrüger jeder Couleur zu wehren weiß. Wenn etwas die Freiheit des Konsumenten schützt, so sind es die Mittel der Gesetzgebung, die ihn gegen jene verteidigen sollen, die ihn ausbeuten möchten.
Dasselbe gilt für die Arbeitswelt: jede in den Kollektivverträgen geregelte Lohnerhöhung, jede Arbeitsstunde weniger, jeder Urlaubstag mehr vergrößert den individuellen Freiraum der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, den sie für ihre persönlichen Ziele nutzen können und der ihnen die Würde verleiht, auf die jeder Mensch ein Recht hat, während die Deregulierung der Arbeit den Menschen in eine Tretmühle spannt, aus der es keinen Ausweg gibt.
In der Lebensmittelindustrie besteht eine der Maßnahmen zum Schutz des Konsumenten darin, dass die Hersteller die exakte Zusammensetzung ihrer Produkte, einschließlich der Zusätze, Farbstoffe, Konservierungsmittel, usw., im Detail angeben müssen. Es wäre zu begrüßen, wenn man diese Regeln auf die Politik anwenden würde. Blocher will uns mit seinem Pamphlet eine Kost auftischen, die mit Produkten von minderwertiger Qualität versetzt, verdorben und schädlich ist – mit einem Wort, er will uns einen Betrug verkaufen. Seine Absicht entspricht der aller Betrüger: Ihm geht es um den maximalen Profit auf Kosten der Konsumenten, in diesem Fall der Bürger.
Der Autor
Dan Gallin ist der ehemalige Generalsekretär der IUL (Internationale Union der Lebensmittel-, Landwirtschafts-, Hotel-, Gaststätten-, Tourismus und Genussmittelarbeiter-Gewerkschaften) mit Sitz in Genf. Während seiner 40-jährigen Gewerkschaftstätigkeit hat er im Herzen der Arbeiterbewegung, deren Geschichte und Tradition er von Grund auf kennt, zur Förderung des internationalen Gedankens und der internationalen Tätigkeit beigetragen. Seine konkreten Erfahrungen mit einer Kultur der Solidarität und der Freiheit, für die er sich als Gewerkschafter zeit seines Lebens tatkräftig eingesetzt hat, verbanden sich zu einem originellen und in hohem Maße eigenständigen Denken, das unentbehrlich ist für die zur Debatte stehenden wichtigsten politischen Fragen, zu der die Sozialdemokratie heute weltweit aufgerufen ist.
Den Autor verbindet jedoch auch ein persönlicher Bezug mit der Frage nach der Freiheit, wie sie Christoph Blocher an die Sozialdemokraten richtet: Gallin, der rumänischer Herkunft ist und durch das kommunistische Regime staatenlos wurde, ging in die USA, wo er sich den Sozialisten anschloss und 1953 wegen seiner politischen Überzeugung des Landes verwiesen wurde. Nach Genf zurückgekehrt, wo er studiert hatte, wurde er Schweizer Staatsbürger, allerdings erst, nachdem die SP ihn gegen eine ihm unfreundlich gesinnte bürgerliche Koalition in Schutz genommen hatte. Sei 1955 ist Dan Gallin Mitglied der SPS.
Das Global Labour Institute (GLI)
Die von Dan Gallin 1997 nach Schweizer Recht gegründete Stiftung, ist ein der Gewerkschaftsbewegung gewidmeter unabhängiger Think-Tank, in dem Organisationsstrategien erarbeitet und vorgeschlagen werden, wie der Hegemonie der transnationalen Konzerne und der Brutalität des globalisierten Kapitalismus begegnet werden kann. In Zusammenarbeit mit aufgrund ihrer Erfahrung und Unabhängigkeit anerkannten Gewerkschaftern und Gewerkschafterinnen sucht das GLI nach innovativen und unorthodoxen Ansätzen, um die Rechte und Freiheiten der ArbeitnehmerInnen in der offenen Welt von heute zu schützen.
Quellen:
1) Christoph Blocher: Freiheit statt Sozialismus, SVP Kanton Zürich, 2000, 24 S.
2) Erklärung der kommunistischen Internationale, 1847, zitiert bei Hal Daper (siehe Anmerkung 26)
3) Karl Marx: Ansprache vor der Minderheit der kommunistischen Internationale 1850, zitiert bei Hal Draper (vgl. auch Anm. 26)
4) Blocher, Ebd., S.6
5) Karl R. Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Francke Verlag Tübingen, 1957, Band 2, S. 259.
6) George Orwell: Rückblick auf den Spanischen Krieg (1942), (in: Rache ist sauer, Essays, Diogenes Verlag, Zürich, 1975, S. 21, 28/29).
7) Simon Leys: Ombres chinoises, Union Générale d’Edition (10/18), Paris, 1974, 312 S.; Les habits neufs du Président Mao, Champ Libre, Paris, 1971, 314 S.; La forêt en feu, Collection Savoir, Hermann, Paris, 1983, 231 S.
8) Simon Leys: Orwell, ou l’horreur de la politique, Collection Savoir, Hermann, Paris, 1984, 74 S.
9) George Orwell: The Collected Essays, Journalism and Letters of George Orwell, Vol. I, p.269 (aus einem Brief an Cyril Connolly), in: My Country Right or Left, Secker & Warburg, London, 1968.
10) George Orwell: Ebd., Vol. IV, p. 502 (aus einem Brief an Francis A. Henson).
11) George Orwell: Der Weg nach Wigan Pier, Diogenes Verlag, Zürich, 1975.
12) George Orwell: Rückblick auf den Spanischen Krieg, (in: Rache ist sauer, Essays, Diogenes Verlag, Zürich, 1975, S. 31).
13) Karl Kautsky: Nochmals die Gemeinsamkeit des sozialdemokratischen und des kommunistischen Endziels, Tribüne (Prag), Band I, Nr. 11, März 1929. Vergleiche auch: Die Gemeinsamkeit des sozialdemokratischen und des kommunistischen Endziels, Tribüne (Prag), Band I, Nr. 3 (Juli 1928) und: Demokratie und Diktatur, Der Kampf (Wien), 1933.
14) Max Shachtman: The Bureaucratic Revolution, Donald Press, New York, 1962, 360 S. (enthält die im The New International: Is Russia a Workers‘ State? (1940) und Russia’s New Ruling Class erschienenen Artikel (1942).
15) Tony Cliff: Stalinism, A Marxist Analysis, Kidron, London, 1955, 273 S.
16) Cornelius Castoriadis, d.h. Les rapports de production en Russie, Socialisme ou Barbarie, März 1949 und: La révolution prolétarienne contre la bureaucratie, Socialisme ou Barbarie, Dezember 1956 (neu aufgelegt von l’Union Générale d’Editions, (10/18) unter dem Titel: La société bureaucratique, 1973).
17) Milovan Djilas: La nouvelle classe dirigeante, Plon, Paris, 1957.
18) Rosa Luxemburg, Die russische Revolution, Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg, 1948, 63 S.
19) David Dallin et Boris Nikolaevsky, Forced Labor in Soviet Russia, Yale,1947, 331 S.
20) Léon Trotsky: Verratene Revolution (in: Schriften 1, Sowjetgesellschaft und stalinistische Diktatur, Band 1.2 (1936-1940), Rasch und Röhrig Verlag, Hamburg 1988, S. 687 – 1001)
21) Boris Souvarine: Staline, Aperçu historique du bolchevisme, Plon, 1935.
22) Alexander Weissberg, The Accused, Simon & Schuster, New York, 1951.
23) Margarete Buber-Neumann, Als Gefangene bei Stalin und Hitler, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 1958, 471 S.
24) Arthur Koestler: Die Sonnenfinsternis, Büchergilde Gutenberg, Frankfurt/Main, 416 S.
25) Victor Serge: S’il est minuit dans le siècle, Bernard Grasset, Paris, 1939 und: L’affaire Toulaiev (1942); auch in: Les révolutionnaires, Editions du Seuil, Paris, 1967.
26) Manès Sperber: Wie eine Träne im Ozean (Romantrilogie), Europa Verlag, Wien, 1976, 1034 S.
27) Insbesondere: Anton Ciliga: Au pays du mensonge déconcertant; Panaït Istrati: Vers l’autre flamme, Rieder, Paris, 1929; André Gide: Retour de l’URSS und: Retouches à mon Retour d’URSS (1937).
28) Insbesondere: Puzak, Szturm de Sztrem, Dziegelewski, Krawcyk, Zdanowski und Janina Pajdak in Polen; Gyula Kelemen, Sari Karik, Anna Kethly in Ungarn, Zdenek Pska, Vojtech Dundr, Zavis Kalandra, Milada Horakova in der Tschechoslowakei; Titel Petrescu in Rumänien; Pastukhov und Loultchev in Bulgarien; Lazar Fundo in Albanien.
29) Am 31. März 1946 waren die Mitglieder der SPD Berlin aufgefordert, über die Fusion mit der KPD abzustimmen. 19.529 von 23.755 Stimmen waren dagegen. Siehe insbesondere: Gert Gruner und Manfred Wilke: Sozialdemokraten im Kampf um die Freiheit, R. Piper & Co. Verlag, München, 1981, 223 S
30) Um diesen Erblasten entgegenzuwirken, zu denen auch der Provinzialismus jeder kantonalen Partei und die natürliche Tendenz zur Verdrängung aller sie störenden Fakten und Ideen zu rechnen sind, hätte sich die SPS viel stärker für die ideologische und politische Ausbildung ihrer Mitglieder an der Basis engagieren müssen. Die Unterlassung einer solchen Ausbildung kommt heute teuer zu stehen, als niemand mehr die Fakten kennt, einschließlich der Geschichte der eigenen Bewegung
31) Hal Draper, The Two Souls of Socialism, New Politics, Vol. 5, Nr. 1 (Winter 1966), pp.57-84
32) Sidney & Beatrice Webb: Soviet Communism – A New Civilisation, Gollancz, London, 1937, 1257 S
33) Léon Nicole, Mon Voyage en URSS, Editions du Faubourg, Genève, 1939, 223 S
34) Blocher, Ebd., S. 1
35) Es soll daran erinnert sein, dass das sozialistische Solidaritätskomitee mit der Opposition in Osteuropa (CSSOPE)– darunter Mitglieder der SP, der SAP (Sozialistische Arbeiterpartei, Trotzkisten) und einiger Unabhängigen in Genf und in Lausanne – in der zweiter Hälfte der 1980er Jahre eine aktive Kampagne führte (Zeitschrift Samizdat, öffentliche Versammlungen), um den repressiven Charakter des stalinistischen Regimes anzuprangern und seine Opfer zu verteidigen
36) Charles Levinson, Vodka-Cola, Gordon & Cremonesi, London, 1978
37) Levinson, Ebd
38) Blocher, Ebd., S.4
39) Blocher, Ebd., S.
40) Alfred Hugenberg, Millionär und Eigentümer einer Medienkette (Presse und Kino), Vorsitzender des autoritären und rechtsextremen Flügels der Deutschnationalen Volkspartei (führend in der Partei ab 1928), Feind der Weimarer Republik, Verbündeter Hitlers und Wirtschaftsminister im rechten Koalitionskabinett vom Januar 1933, dem Hitler als Kanzler vorstand
41) Reichstag 1933, 2. Sitzung, Donnerstag, den 23. März 1933.
42) Hans Rothfels: Die deutsche Opposition gegen Hitler, Manesse Verlag, Zürich, 1994, 443 S.; und Material zu einem Weissbuch der deutschen Opposition gegen die Hitlerdiktatur, Vorstand der SPD, London, 1946, 188 S.
43) Hermann Wichers: Im Kampf gegen Hitler, Deutsche Sozialisten im Schweizer Exil 1933-1940, Chronos Verlag, Zürich, 1994, S. 306.
44) Blocher, Ebd., S. 10
45) Blocher, Ebd., S. 16
46) Blocher, Ebd., S. 19
47) Blocher, Ebd., S. 20
48) Blocher, Ebd., S. 20
49) Blocher, Ebd., S. 19
50) Susan George: How to Win the War of Ideas – Lessons from the Gramscian Right, in Dissent (New York), Sommer 1997.
51) Unter internem Transferpreis versteht man den Preis, den ein transnationaler Konzern verrechnet, wenn er Waren an ein eigenes Unternehmen im Ausland verkauft. Da diese Preise arbiträr sind, ermöglichen sie, Gewinne in Länder zu verlagern, wo sie Steuervorzüge genießen, bzw. Verluste dort auszuweisen, wo die Steuern hoch sind.
52) Der moderne Kapitalismus wurde auch in den letzten Jahrzehnten durch die Kämpfe der Arbeiterbewegungen tiefgreifend verändert. Diesen Kämpfen ist es zu verdanken, dass wir über Einrichtungen verfügen, welche den Einzelnen und die Gesellschaft vor dem Machtmißbrauch der Finanzmächte schützen. Beispiele sind die Sozialversicherung, subventionierte Einnahmen und öffentliche Bestimmungen – angefangen vom Gesundheitswesen über Arbeitsplatzsicherheit bis hin zu Nahrungsmittelvorschriften und gesetzlichen Maßnahmen gegen die Umweltverschmutzung. Wenn der Kapitalismus der Industrieländer noch irgendeine Anziehungskraft auf die Völker hat, die in anderen Systemen leben, dann aus dem einfachen Grund, weil er dem neoliberalen Modell eben nicht entspricht
Übersetzung: Jacqueline Csuss
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